Menschen im Portrait
Gemeinsam mit Sarah Laura Ebensperger und Jan Weimer von der Refugee Support Tour habe ich Geflüchtete interviewt und sie portraitiert. Woher und warum kommen sie nach Europa? Was haben sie erlebt und was denken sie über den Kontinent, der ihr neues Zuhause sein soll? Diese und weitere Fragen beantworten sie in den persönlichen Berichten. Aus Persönlichkeitsgründen haben wir andere Namen verwendet.
Hassan aus dem Irak
Hassan ist 48 Jahre alt und stammt aus der irakischen Stadt Kirkuk. Von dort war er vor sechs Wochen alleine nach Europa geflohen. „Meine beiden Kinder haben sich gegen die Flucht entschieden. Beide sind verheiratet und wollen die Situation noch aushalten.“ Seine Frau war bei der Geburt der jüngeren Tochter gestorben. Als die Polizei einen Nachbarn von ihm festnahm, weil sie ihn verdächtigte ein Anhänger der Terrororganisation IS zu sein, entschied er sich zur Flucht. „Die Polizei geht in solchen Fällen ziemlich rigoros gegen das Umfeld der jeweiligen Person vor“, erzählt Hassan. „Ich hatte nie etwas mit den Terroristen zu tun, aber meine Bekannten warnten mich, dass ich bald abgeholt werden könnte. Nur weil ich nebenan gewohnt hatte.“ Die einzige Möglichkeit für ihn sich zu retten war die Flucht.
Mit einem Visa flog er in die Türkei. Hier traf er seinen Cousin und dessen Familie, mit der er sich von nun an zusammen auf die Flucht begab. Gemeinsam versuchten sie es dreimal mit dem Boot nach Griechenland, jedes Mal kenterten sie und mussten zurückschwimmen oder die türkische Küstenwache hielt sie auf. „Die Boote waren eigentlich nur für vielleicht 25 Menschen ausgelegt“, erzählt Hassan. „Es waren aber immer um die sechzig Menschen an Bord“. Beim vierten Mal gelang ihnen die Überfahrt auf die griechische Insel Liminos. Für jede Überfahrt musste Hassan 2000€ bezahlen. Mit einer Fähre fuhren sie weiter nach Athen und anschließend mit einem Bus nach Thessaloniki. Dort deckten sie sich mit Schlafsäcke, Zelten und Verpflegung ein und fuhren mit einem Taxi nach Idomeni.
Seit zwei Wochen ist er nun hier und hofft, dass er bald weiter kann. DIe Bedingungen im Camp sind sehr schlecht, sagt er. Im Irak war er als Küchenchef tätig und möchte das auch in Europa weitermachen. Am liebsten in Deutschland, wo er schon einige Verwandte hat. „Europa bedeutet für uns Hoffnung auf Freiheit und Demokratie“, erzählt Hassan. „Im Irak denken die Leute noch sehr in ihren Volksgruppen – wer ist Kurde, wer ist Araber und so weiter. In Europa haben wir die Möglichkeit wir selbst zu sein und uns von unserer Herkunft zu lösen“. Für ihn ist es ein Problem, dass die Menschen auf der Flucht unterschiedlich behandelt werden. Menschen aus Syrien würden eher durch die Grenze gelassen und hätten bessere Kontakte zur Polizei. „Das geht soweit, dass hier Syrer rumlaufen und Geld dafür verlangen, dir bessere Chancen für eine Einreise zu ermöglichen“.
Das für ihn einzig wichtige auf der Reise sind seine beiden Ringe, die für seine Kinder stehen. „Ich hoffe, dass ich sie bald wiedersehen kann.“, sagt er. Er hat von den vielen rechtsextremen Anschlägen und Demonstrationen in Europa gehört, macht sich aber deshalb keine Sorgen. Für ihn handelt es sich dabei nur um eine Minderheit. „Die Mehrheit und die Regierung denken anders“, ist er überzeugt. Für die Zukunft wünscht er sich, dass es im gesamten Nahen und Mittleren Osten Frieden gibt. So wie in Europa wünscht er sich, dass auch dort die Menschenrechte für alle gelten und garantiert werden. Für sich selbst wünscht er sich nur eine Arbeitserlaubnis in Deutschland. „Ich brauche keine Untersützung vom Staat“, sagt er. „Ich brauche nur eine Chance“.